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Der gute Gedanke


Zwei Wahrheiten können

sich nie widersprechen.

Galileo Galilei

 


Foto von Birgit Kollmeyer
Foto: Birgit Kollmeyer

 

Hier finden Sie eine Auswahl von Artikeln zum Thema Beziehungen, die im Rahmen einer Ratgeberkolumne der Luzerner Zeitung veröffentlicht wurden. 

Juni 2019: Was ist Verführung?

Mai 2019: Gehen oder bleiben? 

Mehr finden Sie hier.

 

Was ist Verführung? 

Meine Frau sagt mir (49) immer wieder, dass sie gerne mehr verführt werden möchte, um mehr Lust auf Sex zu bekommen. Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich gar nicht (mehr?) weiss, wie man eigentlich verführt.

 

Fragen Sie Ihre Frau doch einmal, was auf sie verführerisch wirkt, was ihr Lust auf Sex macht. Denkt sie bei dem Verführt-werden an bestimmte Verhaltensweisen, die verführerisch auf sie wirken? Oder an Situationen wie eine Massage oder Baden bei Kerzenlicht? Kreativ zu sein, sich etwas Neues einfallen zu lassen, hilft vielen Paaren, immer wieder einmal etwas erotische Spannung ins Sexualleben zu bringen. Das braucht natürlich auch Mut, weil man ja nie genau weiss, wie die andere Person darauf reagieren wird. Nehmen Sie es gelassen, wenn Ihre Idee nicht ankommt, denn es ist in jedem Fall positiv ein Angebot gemacht zu haben.

 

Sie könnten, wenn Sie mögen, Ihrer Frau auch anbieten ihr einen sexuellen Wunsch zu erfüllen. Darüber zu sprechen, fällt den meisten Paaren nicht leicht. Aber Ihre Frau hat ja schon mit dem Ansprechen des Verführens einen Anfang gemacht. Vielleicht ist es ja möglich, dass Sie beide sich konkreter austauschen. Beim Äussern von Wünschen ist es wichtig, dass man der anderen Person immer die Freiheit lässt, ob sie einen Wunsch erfüllen möchte oder nicht – oder vielleicht so nicht, aber anders.

 

In der Regel brauchen Männer und Frauen Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung, um Lust auf Sex entwickeln zu können. Sich unter Druck zu fühlen ist für die meisten Menschen lusttötend. Verführung hat etwas mit Spiel zu tun, mit Leichtigkeit. Man spielt mit Nähe und Distanz: Man nähert sich an und zieht sich auch wieder zurück. Das kann z.B. so aussehen, dass man eine schöne Atmosphäre herstellt und den anderen dort «abholt», wo er steht, indem man aufmerksam auf seine Reaktionen achtet. Geht der andere nicht auf die Annäherung ein, nimmt man sich zurück und nähert sich ein wenig später wieder an – ganz unverbindlich. Wenn jemand den Eindruck hat, dass der andere zärtlich ist, damit man sich auf Sex einlässt, wird das kein Begehren auslösen.

 

 

Vielleicht erstaunt es Sie zu lesen, dass sich Lust «entwickelt». Denn ca. 70 % der Männer und ein kleinerer Teil der Frauen sagen, dass sich ihr Begehren so anfühlt, als ob es plötzlich da ist. Sie haben ein «spontanes Begehren». Ungefähr 70 % der Frauen und ein kleinerer Teil der Männer entwickeln dagegen Lust erst im Laufe einer sexuellen Begegnung – das ist das sogenannte «responsive Begehren». Sie brauchen eine passende Situation und eine entsprechende Stimmung dazu. Was das konkret bedeutet, muss jede Person versuchen für sich selbst herauszufinden. Für viele ist eine wichtige Basis emotionale Nähe durch persönlichen Austausch und durch ein Gefühl der gegenseitigen Bezogenheit. Schöne Zeit zu zweit zu verbringen, zusammen das Leben zu geniessen, aber auch sich selbst auf Sexualität einzustimmen können dazugehören. Ebenso mögen es kleine persönliche Botschaften oder Berührungen im Alltag, die nicht zielgerichtet sind, sein.

 

Gehen oder bleiben? 

Seit einiger Zeit bin ich (56) nicht mehr glücklich mit meiner Frau (52). Ich finde es aber äusserst schwierig zu entscheiden, ob ich mich trennen sollte oder ob es noch Sinn macht in der Beziehung zu bleiben. Es gibt noch recht viel, was uns verbindet, aber eben auch viele Konflikte und auch Phasen, in denen wir aneinander vorbeileben. Man sagt ja auch, dass man ungelöste Konflikte in eine nächste Beziehung mitnimmt. Ist da etwas dran?

 

Es ist tatsächlich ein Trugschluss zu denken, dass mit einem anderen Partner alles ganz anders wäre, dass man weniger Konflikte und einander viel mehr zu sagen hätte, dass die anfängliche Leidenschaft noch vorhanden wäre und es mehr Gemeinsamkeiten gäbe. Da macht man sich manchmal etwas vor. Viel wahrscheinlicher ist nämlich, dass es zwar nicht dieselben Probleme gäbe, aber andere. Paarstudien zeigen, dass die Zufriedenheit mit der Beziehung bei einem Grossteil der Paare in den ersten zehn Jahren kontinuierlich abnimmt. Das bedeutet, dass fast alle Paare, die länger zusammen sind, vor derselben Herausforderung stehen: Sie müssen gezielt etwas dafür tun, damit ihre Liebe trotz des Alltags nicht verloren geht, und sie müssen lernen mit ihren Problemen umzugehen. Selten ist eine fehlende Passung das Hauptproblem, wenn sich die Qualität einer Beziehung verschlechtert hat, denn zu Beginn der Beziehung gab es schließlich ganz viel, das wunderbar gepasst hat.  

Wenn eine Beziehung auseinandergeht, bedeutet dies fast immer eine persönliche Krise für die Betroffenen, die auch gesundheitliche und psychische Belastungen für beide Partner (und gegebenenfalls für die Kinder) mit sich bringen kann. 

Eine vorschnelle Trennung ist daher meist nicht zu bevorzugen. Fast immer lohnt es sich, noch einmal alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die bestehende Partnerschaft zu retten und eine Trennung zu verhindern. Reflektieren Sie einmal gründlich, am besten schriftlich, was Sie noch verbindet, was Sie an Ihrer Frau schätzen. Wie wichtig sind diese Aspekte, schätzen Sie sie noch genug oder sind sie zur Selbstverständlichkeit geworden?

Mit dem bewussten Entschluss, sich seinem Partner gegenüber wieder achtsamer, respektvoller und kompromissbereiter zu verhalten und mit dem anderen wieder möglichst oft etwas Schönes zu unternehmen kann sich eine Beziehung erstaunlich gut wieder erholen. Dies gibt dann auch eine Basis, um ungelöste Konflikte ausserhalb der akuten Situation in Ruhe besprechen zu können. Hören Sie dabei die Sichtweise Ihrer Frau an und versuchen Sie zu verstehen, wie Sie sich fühlt. Beschreiben Sie Ihrer Frau auch Ihre Seite, Ihre Gefühle und Bedürfnisse. Versuchen Sie nicht den anderen von der Richtigkeit Ihrer Ansicht zu überzeugen, sondern konzentrieren Sie sich darauf den anderen verstehen zu wollen.

 

Wenn Sie aber trotz starker Bemühungen längerfristig merken, dass Sie nicht mehr glücklich miteinander sind, die Konflikte überwiegen und Ihre Gefühle füreinander erkaltet oder sogar in Abneigung umgeschlagen sind, kann eine Trennung die passende Konsequenz sein. Wichtig ist, dass Sie ehrlich zu sich selbst sind, ob Sie sich wirklich ausreichend engagiert hat oder ob da noch Luft nach oben wäre, um die im Alltag eventuell verschütteten Liebesgefühle wieder zu aktivieren.