Wir, mein Mann (64) und ich (61) haben seit 2 Jahren keinen Sex mehr – irgendwie ist der eingeschlafen. Es gibt nur noch ein Muntschi zur Begrüssung und zum Abschied und ein bisschen Kuscheln beim Fernsehen. Neulich wurde uns aber in einem Gespräch klar, dass wir beide das bedauern. Lässt sich Sexualität wieder aufbauen oder ist in unserem Alter der Zug abgefahren? Wie können wir das angehen?
Wenn Sie Sex haben wollen, ist das natürlich auch in fortgeschrittenem Alter möglich. Befragungen zeigen, dass Frauen und Männer, die in jüngeren Jahren Sex haben, diesen oftmals bis ins hohe Alter haben. Was sich bei vielen verändert, ist die Art der Sexualität: «Schneller, höher, weiter» entfällt bei vielen - es ist ja meistens auch aus körperlichen Gründen nicht mehr möglich. Glücklicherweise nehmen Leistungsgedanken, die zu Problemen wie Erektions- und Orgasmusstörungen führen können; viele Paare nehmen sich wieder mehr Zeit für Zuwendung, Zärtlichkeit und Sinnlichkeit, sie lassen sich aufeinander ein. Das kommt dem Geniessen sehr entgegen und manche Paare sagen, dass der Sex das ganze Leben über nicht so genussvoll war wie jetzt im Alter.
Wenn man als Paar nach einer längeren Pause wieder mit Sex starten möchte, ist ein langsames Vorgehen empfehlenswert. Denn zum einen muss die Schleimhaut der Vagina erst wieder gut durchblutet werden. Hierbei hilft ein tägliches leichtes Einmassieren von Kokos- oder Mandelöl (in jedem Alter zur Pflege empfehlenswert!). Auch Selbstbefriedigung hält die Schleimhaut elastisch. Bei Trockenheit der Scheide, die nach den Wechseljahren sehr häufig ist, ist das Einsetzen von Gleitgel sinnvoll.
Wenn man sich Zeit nimmt und die Bewegungen beim Sex langsam sind, ist aber auch ein intensiveres Wahrnehmen möglich. Das zeigt diese kleine Übung: Fahren Sie einmal schnell und einmal langsam mit den Fingerspitzen über ihren Unterarm. Was spüren die Fingerkuppen und die Haut des Unterarms bei der schnellen und bei der langsamen Berührung? Wenn Sie schon einmal dabei sind, experimentieren doch ein bisschen mit festen und leichten Berührungen, dem Einsatz von Fingerkuppen versus Fingernägeln…
Nach einer längeren Pause hat vielleicht auch einer der Partner oder beide Sorgen oder Ängste entwickelt: Wollen wir beide dasselbe oder will der andere weitergehen, während es mir genug ist? Kann ich das noch? Bekomme ich eine Erektion? Komme ich zum Orgasmus? Hier kann es helfen, Grenzen abzusprechen und diese nach und nach auszuweiten, wenn dies dann von beiden gewünscht ist: Sie können z.B. beginnen nackt zu kuscheln, dann beim nächsten Mal einander streicheln, ohne den Busen und die Geschlechtsteile einzubeziehen, dann diese Zonen mit einbeziehen…bis hin zum Geschlechtsverkehr.
Günstig ist es allerdings, wenn der Geschlechtsverkehr und der Orgasmus nicht zu fest angestrebt werden, sondern das Zusammensein und der Sex in allen seinen Variationen genossen wird. Auch Ausprobieren von Neuem kann im Alter aufgrund von körperlichen Einschränkungen notwendig, aber auch spannend und schön sein. Wünsche zu äussern oder zu zeigen ist im Bereich der Sexualität nicht einfach. Versuchen Sie es dies zu wagen. Ein Ablehnen durch den anderen ist ok, ein Wunsch aber auch (veröffentlicht im August 2019 in der Luzerner Zeitung).